Kanu & Natur

ein persönliches Blog von Jürgen Clausen

Fürstenberg bis Ellbogensee

Geschrieben am 20.08.2006 in Kanureisen (2006) —   Havel, Rhin (Geändert am 05.07.2017)

Teil 16 von 16 in der Serie Müritz - Rhin - Havel - Rundtour 2006

Bevor ich in den Röblinsee paddle, sehe ich links ein paar originelle Wasserfahrzeuge: ein etwas herunter gekommenes Floß, und daneben ein wunderschönes, nach historischem Vorbild nachgebautes Schiff, ein sogenannter "Kaffenkahn", wie ich von zufällig anwesenden "Seeleuten" an Bord erfahre. Man kann dieses Seeungeheuer segeln, treideln oder staaken, was immer wieder an zahlenden Gästen real ausprobiert und bestätigt wird. Beeindruckend ist das Schiff allemal mit seinem extrem soliden, wohl etwas überdimensionierten Steuer - Ruderblatt. Der Rumpf ist aber aus Stahl gefertigt, ob das original ist, bezweifle ich mal.

Der Röblinsee ist für mich unspektakulär zu paddeln, er ist nur etwas mehr als 1,5 km lang. Am Nordufer liegen der D27 mit dem "Kanucamp am Röblinsee" und ein paar Bootshäuser.

Havel unterhalb Steinhavelmühle

Havel unterhalb Steinhavelmühle

Es folgt 1 km Steinhavel, wieder in schöner Natur, sehr hügeliger Wald rechts und links mit teilweise steilen Ufern, so dass ich nur staunen kann. Die folgende Schleuse Steinförde liegt an einem historisch bedeutsamen Wegepunkt: "förde" deutet auf eine Furt hin, und tatsächlich gab es hier schon im ausgehenden Mttelalter eine Furt durch die Havel. Sie wurde erst aufgegeben, als die Havel hier für einen Mühlenbetrieb angestaut wurde. 1840 soll dann eine Schleuse gebaut worden sein, die wohl nur eine Stauschleuse (ein-torig) war. Das Gebäude der Steinhavelmühle steht heute unter Denkmalschutz, was nicht bedeutet, dass es vollständig restauriert ist. Ein 2,3-Zentner-Mann in einem Canadier hat sich aufgemacht zu einer Einmanntour und schleust mit mir hinauf.

vor Menowsee

vor Menowsee

Die Havel, die ich jetzt paddle, gehört zu den schönsten Abschnitten, da sie nicht nur von hohem Mischwald an beiden Ufern umgeben ist. Ihre Ufer sind jetzt enorm hügelig, was eine besondere Szenerie aufbaut. Gleichzeitig ist sie sehr kurvig, bei km 65 liegt dann auch die spitzeste Kurve, das "Haveleck". Hier liegt nah am Ufer die Pension "Haveleck". Dann wird es auch schon wieder flach, und ich paddle auf den Menowsee zu. Die Havel streift ihn nur kurz, er ist aber landschaftlich sehr reizvoll, eben weil er so klein ist und seine Ufer mit hohen Bäumen bewachsen sind.

zw. Ziernsee und Ellbogensee

zw. Ziernsee und Ellbogensee

Kurz bevor ich auf den See komme, wird das Gegrummel des herannahenden Gewitters immer lauter. Da höre ich etwas anderes: ein junger Fischadler ruft seine Eltern, möchte wohl gefüttert werden. Durch mein Fernglas sehe ich den Horst auf dem nahen Hochspannungsmast neben der Havel. Der Jungvogel hat den Horst verlassen und sitzt auf einer Traverse, ein Altvogel bringt ihm Futter, ich kann aber nicht ausmachen, was es ist. Da gerade Freitag ist, wird es wohl Fisch sein, oder? Oder ist nicht Freitag? Tatsächlich, es ist so, behauptet mein Funkwecker, den ich kurz aus meinem Wasserdichtbehälter heraushole. Ich sitze eine ganze Weile still in meinem Kanu und lasse alles andere an mir vorbeirauschen. Der schöne Moment des Erlebens zählt für mich am meisten. Warum kommen mir alle Motorboote mit Licht entgegen? Ich denke, sie kommen aus einer Regenfront, und auch ich mache mich auf eine Dusche gefasst. Da es in der Nähe aber einen Pausenplatz gibt, beschließe ich, etwas zu verweilen und den Regen abzuwarten. Ein paar andere Paddler sind schon anwesend, gemeinsam stehen wir unter dem Dach von einigen großen Buchen. Eine Viertelstunde lang hören wir uns den Donner in der Ferne an und lauschen auf die kleinen Tropfen, die auf die Blätter regnen, aber komplett abgeleitet werden. Dann hört es ganz auf. Das bringt mich dazu, wieder in mein Kanu zu klettern und den Ziernsee, auf dem ich jetzt bin, weiter in Richtung Ellbogensee zu paddeln. Bis zum C53 sind es noch 4 km, es ist fast 16:00 Uhr. In weniger als einer Stunde werde ich mein Ziel erreicht haben.

der Ellbogen vom Ellbogensee

der Ellbogen vom Ellbogensee

Wann Gundula wohl kommt? Obwohl ich sehr neugierig bin, verwerfe ich den Gedanken, sie einfach anzurufen. Ich staune, dass es nicht windig geworden ist, wie ich befürchtete. Aber es ist ganz anders als noch auf dem Stolpsee. Hatte ich dort eine deutliche Brise, ist es hier fast still. Da ich schon einen ganzen Paddeltag hinter mir habe, wäre es mir sehr recht, wenn ich bald mal mein Ziel erreichen würde. Die folgenden 3,5 km paddle ich zur Abwechslung und als Ansporn mit einem Canadier um die Wette, in dem 4 ausgeruhte Jungs ohne Gepäck einen Geschwindigkeitsrekord aufstellen wollen. Nur mühsam gelingt es mir, sie abzuschütteln, ich benötige dafür eine Strecke von mindestens 2 km. Dann entdecke ich den C53, er liegt direkt im Gelenk links. Rechts macht der Ellbogensee eine spitze Ecke, sie sieht recht hübsch aus mit all den Buchen drauf.

Ellbogensee

Ellbogensee

Ich lande an, räume sogleich die Einsetzstelle, um für kommende Paddler Platz zu schaffen und schaue, wo ich mein Zelt errichten möchte. Es sind noch andere Wasserwanderer hier, eine junge Familie mit 2 Zelten und 2 Kanus stehen auch auf der Wiese. Es gelingt mir, etwas Abstand zu anderen Zelten zu halten, denn ich erwarte ja Besuch und hoffe, dass wir unser Wiedersehen gebührend feiern werden. In Rekordzeit steht mein Zelt, und dann strecke ich mich auf der Picknickdecke aus, die auf dem Fußboden ausgebreitet liegt. Es drängt mich jetzt, doch mal Gundula anzurufen, um zu erfahren, wo sie gerade steckt. Als es bei ihr klingelt, hat sie gerade eingeparkt und sagt zu mir:"schau doch mal zum Zaun herüber!". Das ist mal wieder typisch, so ist es bei uns eben. Da können wir uns das Handy ja auch gleich ganz sparen;-). 

Da steht sie also, und ich renne hoch, um sie in Empfang zu nehmen. Daraufhin feiern wir erstmal unser Wiedersehen. Als wir wieder aus dem Zelt kommen, ist es Abend geworden. Wir bauen unsere Küche auf einer Tisch-Bank-Gruppe auf und erfreuen uns an dem sehr schönen Blick, den wir von hier oben vom Campingplatz aus über den Ellbogensee genießen können. Ein paar Leute baden noch, und es liegt durchaus Regen in der Luft.

Unsere Nachbarn, die junge Familie, hat viele Meter Wäscheleine voll mit nasser Kleidung und versucht mühsam, das eine Zelt zusätzlich mit auseinander geschnitteten Müllsäcken abzudichten. Auf meine Nachfrage bekomme ich zu hören, dass es letzte Nacht überall durchgeregnet hätte. Ich habe eine 2x3 m Baumarktplane übrig und biete ihnen diese an. Sie kaufen sie mir ab und sind sehr glücklich. Es bleibt aber trocken in der Nacht. Wir melden uns jetzt auch an und machen uns einen netten Abend.

Am nächsten Morgen ist recht schönes Wetter. Als wir alle Morgenverrichtungen hinter uns gebracht haben und auch alles eingepackt ist, machen wir noch ein paar Fotos und verlassen dann diesen Ort.

Es zieht uns zu den Havel-Quellseen, wo wir das Stück von Kratzeburg bis Babke paddeln und ein paar nette Leute besuchen wollen. Dafür hat Gundula unseren Canadier mitgebracht, so dass wir nun gleich 2 Kanus auf dem Dach des kleinen Astra haben. Vor uns liegen noch 8 Tage gemeinsamer Urlaub, den wir so ruhig wie möglich gestalten wollen. Ich freue mich, diese Rundtour endlich einmal realisiert und wieder soviel Neues gesehen und erlebt zu haben. Nach etwa 220 km verabschiede ich mich fürs erste von der Oberen Havel, um sie viel weiter oben bald wiedersehen zu dürfen.