Kanu & Natur

ein persönliches Blog von Jürgen Clausen

Helling und Mallen

Geschrieben am 29.02.2008 in Holzkanubau —   Holzcanadier, Holzkanu, Leistenkanu (Geändert am 05.07.2017)

Teil 3 von 14 in der Serie Bau unseres 5,70m langen 4er Holzkanus

Ich bekam eine genauere Vorstellung vom Design und ich erwarb weitere Kenntnisse in der Verarbeitung von Composite-Materialien. Mir wurde immer klarer, was zu tun war. Die Vorgabe wegen unserer Familiensituation war, daß das neue Holzkanu Platz genug für 3 Personen plus Langstreckengepäck haben sollte. Es mußte  aber auch guter ein Viersitzer für Tagesausflüge sein. Daraus ergab sich, einen echten Vierer bauen zu müssen: die Länge mußte etwa 5,6m werden. Nicht gerade klein, und Pläne fand ich auch nicht. Der Plan, den ich bei Thomas Neher schließlich kaufte, war für einen 5,2m Holzcanadier, und ich beschloß, durch Verlängerung die erforderliche Länge zu erreichen. 

Da jetzt die Länge feststand, (die Breite sollte im gewohnten Bereich von etwa 90cm liegen), konnte ich daran gehen, eine geeignete Helling zu bauen. Eine Zeit davor hatte ich einen Stapel beschichteter Spanplatten geschenkt bekommen, die aus einer ehemaligen Ladeneinrichtung stammten. Aus diesen Platten und ein paar Brettern baute ich dann die Helling, genau 5m lang. Die Steven wollte ich überhängen lassen, dann kann man auch gut von unten an ihnen arbeiten. Die Helling bekam die Form eines nach unten offenen Kastens, die obere Platte stand auf beiden Seiten ca. 8cm über, so daß ich daran jederzeit Zwingen festklemmen konnte. Die Höhe der Helling hatte ich so gewählt, daß ich beim Bauen des Kanubodens gerade noch ohne Leiter würde arbeiten können (hat nicht so geklappt, ich nahm dann doch noch eine Gerüstbohle auf zwei Kanthölzern als "Fußgerüst". Hätte ich die Helling niedriger gebaut, hätte ich es sehr unbequem gehabt bei den Kanuspitzen).

Holzcanadier, Mallenriß

Holzcanadier, Mallenriß: Dies ist der Mallenriss des 2. Canadiers, der 2009/2010 gebaut wird. Er wurde vollständig von mir entworfen und umgesetzt.

Was war nun die nächste Aufgabe? Die Pläne mußten in Mallen übersetzt werden: Mallen sind die "Lehren", über denen die Form des Holzkanus entsteht, wenn man Leisten direkt über den Mallen aneinanderleimt. Dabei wollte ich die Form der Mallen aus dem Plan etwas variieren, um in Bootsmitte etwas mehr Rundung in den Boden zu bekommen (bessere Stabilität in den Wellen). Außerdem wollte ich im Gegensatz zum Plan einen Außensteven. Das dient der Stabilität und erlaubt die Gestaltung eines schärferen Bugs mit weniger Strömungswiderstand. Um die größere Länge zu erhalten, wollte ich anfangs einfach eine zusätzliche Mittenmalle machen. Letztlich habe ich es dadurch erreicht, daß ich die Mallenabstände ein wenig vergrößert habe. Das war völlig OK.

Holzkanubau, Übertragen des Mallenrisses

Holzkanubau, Übertragen des Mallenrisses: Aus meinem Plan übertrage ich den Mallenriß auf die OSB-Platte, indem ich in kleinen Abständen mit einem Spitzstecher durch das Papier schlage.

Um die Kurven aus dem Papier auf die Platten zu übertragen, legte ich den Plan auf die Platte und schlug mit kleinem Stift alle 10mm ein Loch durch das Papier. Dadurch bekam ich die Kontur, zeichnete sie mit Hilfe eines Kurvenlineals  und einer Strakleiste nach. Mit einer Stichsäge wurde diese eine Hälfte des Mallens ausgesägt.

Ein Problem beim Bootsbau ist, das Boot so genau wie möglich Achsensymetrisch zu bekommen, damit es geradeaus läuft. Wie erreicht man das am besten? Das Papier 2-mal zu übertragen, erschien mir zu ungenau zu sein: also beschloß ich, einfach 2 identische Hälften zu machen und sie dann zusammen zu leimen. Das hatte auch den angenehmen Nebeneffekt, daß dadurch eine genaue Mitte zu sehen war: die Leimfuge bildete fortan genau die Senkrechte, die man benötigt, um die einzelnen Mallen auszurichten. Ich hatte auf der Helling eine Mittellinie gezeichnet (und sicherheitshalber auch durch Stiftschläge eingekörnt, falls die Linie irgendwie auf der lackierten Fläche abhanden kommen würde). Auf dieser Linie wollte ich die Mallen ausrichten, und oben sollte eine Schnur dazu dienen, die Mallen in Flucht zu bringen.

Holzkanubau: 2 gleiche Mallenhälften

Holzkanubau: 2 gleiche Mallenhälften: Durch das Bündigfräsen erhalte ich 2 identische Mallenhälften

Holzcanadierbau: Bündigfräsen 2

Holzcanadierbau: Bündigfräsen 2: Die Originalform und die neue, grob ausgeschnittene Platte sind aufeinander geschraubt, dazu eine Griffleiste. Die Originalplatte dient als Modell, ich führe sie am Anlaufring.

Ich sägte also die halbe Malle aus und egalisierte sie mit einem großen Handbandschleifer, den ich auf den Werktisch spannte. Ich versah ihn mit einem sehr breiten und hohen Anschlag, so daß ich die Kanten der Mallen immer schön rechtwinklig schleifen konnte. Als die Malle mir gut genug erschien, schraubte ich sie auf eine andere Platte, sägte diese grob aus und richtete die Tischfräse ein. Ich spannte einen 125mm Falzkopf ein und darunter einen 125mm Kugellager-Anlaufring. (hier die Malle eines anderen Kanus aus OSB).

So erhielt ich eine Kopierfräseinrichtung, und eine sehr leistungsfähige obendrein. Man könnte das natürlich auch mit einer Oberfräse machen, indem man Bündigfräser verwendet, aber die Schnittkraft wäre bei dem kleineren Radius erheblich kleiner und die ganze Angelegenheit entsprechend mühsamer. So hatte ich es sehr komfortabel. Der Fräser schnitt das überstehende Holz einfach weg, an manchen Stellen auch bis zu 2cm auf einmal, und ich hatte 2 identische Mallenhälften.

Holzkanubau: Flachdübel, Lamello

Holzkanubau: Flachdübel, Lamello: Der Anschlag der Flachdübelfräse erlaubt einen gleichmäßigen Abstand der Lamellos von der Bezugskante, so daß die Platten bündig verleimt werden.

Diese brauchte ich nur noch mit Hilfe von Flachdübeln (Lamellos) zu verleimen und erhielt eine hinreichend genau symetrische Malle. So verfuhr ich mit allen Mallen, was etwa einen Tag dauerte. Als Plattenmaterial verwendete ich alles, was an Resten von 19mm Tischlerplatte auf dem Werkstattboden herumstand, verschmähte dabei auch eine gut erhaltene alte Tischtennisplatte nicht, die schon bei unserem Vormieter im Keller gestanden hatte. Spanplatte wollte ich nicht nehmen, da ich weiß, daß man nicht besonders gut in diese stirnseitig hinein schrauben kann. (das Foto zeigt eine Malle aus OSB-Platte, die ich beim nächsten Projekt verwendet habe, ging nicht so gut, es waren aber geschenkte, gebrauchte Platten).

Die Zwillingsmallen erhielt ich, indem ich einfach die fertige Originalmalle auf ein geeignetes Stück Tischlerplatte schraubte, sie grob mit der Stichsäge ausschnitt und dann ebenfalls an der Tischfräse kopierte. Wie die meisten Kanus baute ich auch dieses weitgehend symetrisch, bezogen auf die Hochachse der Seitenansicht. Mit anderen Worten: wenn man das Kanu von der Seite betrachtet, hat man von der Mitte aus bis zu den Steven die gleichen Mallen, baut also jede Malle zweimal.

Stevenverleimung

Stevenverleimung

Nachdem alle Mallen angefertigt waren, machte ich die Stevenmallen: die Form aus dem Plan variierte ich, um sie meinen eigenen Vorstellungen anzupassen.  Die Platten wurden ausgesägt (21mm starkes Birkensperrholz), egalisiert und mit 40mm großen Spannlöchern versehen, um später kleine schlanke Zwingen ansetzen zu können. Um mir selbst eine Freude zu machen, faste ich die Kanten dieser Löcher mit Hilfe einer kleiner, leichten Oberfräse leicht an, um die Ausrisse zu beseitigen. (kleiner Fasefräser mit Anlaufkugellager). Die Löcher sägte ich mit einer handelsüblichen, hochwertigen  Lochsäge, die es mal bei Aldi gab. Das ging freihand ohne Bohrständer, obwohl das Material Multiplex ja recht fest ist.

Zur Dimension der Steven möchte ich mich auch noch äußern: bei manchen Holzkanus sieht man mächtige Steven, die fast 5cm aus dem Rumpf herausragen: das ist in meinen Augen erstmal keine schönes Design, hat aber auch noch den Nachteil, daß man ja mit dem Steven sowohl beim Transport als auch beim Paddeln an Hindernissen seitlich anschlagen kann. Dann ist es besser, wenn dort nur soviel Material vorhanden ist wie unbedingt nötig. Es entsteht in so einem Fall ja eine Hebelwirkung auf die Klebeverbindung, und die kann man gering halten. Gewicht wird so auch noch gespart.

Holzkanubau, Außensteven

Holzkanubau, Außensteven

In den vielen Beschreibungen hatte ich gelesen, daß man die Lamellen für die Steven entweder naß biegen müßte oder über heißem Dampf im Form zu bringen hatte. Das behagte mir nicht, da ich so wenig Feuchte wie möglich ins Holz einbauen wollte, um später eine sehr gute Epoxidharz-Holz-Verbindung zu erhalten. Also tat ich es so, wie man es als Tischler gewöhnlich zu tun pflegt: dünne Lamellen sägen und die dann mit geeignetem Leim über einer Schablone formverleimen. Die Innensteven sollten aus der gleichen Kiefer gemacht werden wie auch die Rumpfleisten: ich dachte mir, 4mm wären ok, und die Versuche zeigten, daß ich damit gute Verleimungen erzielen konnte (Voraussetzung: sauberes, gerade gewachsenes astfreies Holz mit engen Jahresringen).

Als Leim verwendete ich PU-Leim, damit hatte ich bisher sehr gute Erfahrungen gemacht, z.B. im Treppenbau, wo manchmal runde Bauteile angefertigt werden mußten. Das Bauteil soll ja seine Form behalten, wenn man die Zwingen löst, zudem härtet dieser Schaumleim auch bei ziemlich niedrigen Temperaturen (unter 10°) im Gegensatz zu PVA-Leim. So mußte ich die Werkstatt im frühen Frühjahr nicht die ganze Nacht durchheizen.

Der PU-Leim hat auch noch den Vorteil, daß man länger "fummeln" kann, bis alle Lamellen so sitzen, wie sie sollen: PVA-Leim enthält Wasser, und dieses würde ins Holz ziehen und der Leim dadurch vertrocknen. PU-Leim ist wasserfrei.

Holzkanubau, der Außensteven wird entfernt

Holzkanubau, der Außensteven wird entfernt:

Um zu verhindern, daß überschüssiger Leim die neuen Hölzer an den Stevenmallen festklebt, wurden diese mit PVC-Klebeband versehen. Dann kamen "unendlich" viele Schraubzwingen zum Einsatz, bis beide Innensteven in ihrer Breite von etwa 21mm fertig waren. Am nächsten Tag wurden die Zwingen entfernt, das Ergebnis schien mir gut zu sein. Also fuhr ich fort, indem ich breitere Lamellen herstellte, etwa 30mm breit, und zwar aus einem Rest Lärchenbohle, die bei uns schon seit über 10 Jahren auf dem Boden lag. Ich beschränkte die Lamellenstärke nach Vorversuchen auf etwa 3,5mm, so konnte ich auch dieses Material in die Stevenform bringen. Ich stellte also die Außensteven her, indem ich die neuen Leisten über die bisherige Stevenverleimung bog und dabei miteinander verklebte. (Klebeband zwischen den beiden Steven nicht vergessen!) Nachdem sie am nächsten Tag fertig waren, markierte ich vorne und hinten und legte sie zur Seite. Die Innensteven blieben dort, wo sie entstanden waren. Ich schraubte sie provisorisch mit selbstversenkenden Dielenschrauben fest (diese sind sehr schlank und zäh), so daß sie während der Beplankung nicht verrutschen konnten. Aber man sollte darauf achten, diese Schrauben rechtzeitig heraus zu drehen, so daß sie auf keinen Fall noch drin sind, wenn die Außensteven angebracht werden. Andernfalls wäre das Kanu fest mit der Form verbunden...

Die Stevenmallen hatte ich so designed, daß ich einen sehr guten Kompromiß fand zwischen möglichst langer Wasserlinie in Relation zur Gesamtlänge und schöner Optik. Dabei wurde der vordere Steven etwas runder als der hintere. In meinen Gedanken sollte eventuell einmal eine Steuerung angebracht werden können zum Segeln.

Ich befestigte die Stevenmallen also auf einer Grundplatte, die ich wiederum auf der Helling mit Zwingen festspannte.  Alsdann richtete ich sie so aus, um sie schön in Flucht zu bringen. Dabei nahm ich eine Schnur zu Hilfe. Als sie gut ausgerichtet waren, schraubte ich die ganze Konstruktion an der Helling fest.

Die Gesamt(innen!)länge des Kanus stand nunmehr fest: Ich maß 5,64m, und es kam mir durchaus ziemlich lang vor, zumal in unserer kleinen Werkstatt.

Ich bestimmte die Mitte des künftigen Kanus und zeichnete dort einen Riß quer über die Helling. Von dort aus teilte ich die verbliebenen Strecken in etwa gleiche Teile ein: Das sollten die Abstände der Mallen werden.

Da ich den gekauften Plan variieren wollte, um einen kleinen Kielsprung zu erhalten (zusätzlich zu mehr Rundung in der Mitte und mehr Länge), hatte ich die Mallen höhenverstellbar gebaut: sie bekamen ihre endgültige Höhe erst dadurch, daß ich diese an dem Befestigungsklotz, an dem ich sie seitlich anschrauben wollte, einstellen konnte. Das erlaubte mir, die Kiellinie von der Mitte her schön sauber abfallen zu lassen. Den Kielsprung wollte ich haben, damit das Kanu sich bei der Länge besser solo paddeln läßt und damit man an Stränden besser an - und ablanden kann. Auch von Hindernissen, z.B. Bäumen kommt man besser frei, und niedrige Wehre kann man so besser überfahren.

Holzkanu, Schnur über die Mitte

Holzkanu, Schnur über die Mitte

Hierbei tat sich naturgemäß folgendes Problem auf: bei einem geraden Kanu spannt man einfach eine Schnur und kann alle Bauteile danach ausrichten. Bei einer gebogenen Kielinie geht das natürlich nicht: also mußte ich mir etwas ausdenken, um dieses Problem zu umgehen. Ich schraubte auf jeden Steven einen Lochplattenwinkel, wie man sie aus dem Holzbau kennt. Daran klemmte ich meine Schnur etwas höher als die Steven. So legte ich fest, wieviel Kielsprung ich einbauen wollte. Bei mir waren es etwa 2cm, das erschien mir ok zu sein, ich konnte das ja nicht ausprobieren. Jetzt erhielt ich in Bootsmitte eine entsprechende Markierung.

Dann konnte ich für das vordere Teilstück (= Steven bis Mitte) sowie hinten ebenso je eine Schnur fest und ohne Winkel aufspannen, nach der ich die Mallen dann ausrichtete.

Beginn der Beplankung

Beginn der Beplankung: Die Mallen sind ausgerichtet, die ersten Plankenleisten angebracht.

Nachdem ich alle Mallen am richtigen Ort glaubte, überprüfte ich dieses durch den Gebrauch je einer Strakleiste rechts und links, immerhin 6m lange Leisten von ca. 10x30mm. Da ich eine solche nicht gerade herumliegen hatte, wurde sie kurzerhand aus Bauholzteilen gesägt, die dann durch Laschung miteinander verbunden wurden.

Das endgültige Ausrichten der Mallen dauerte dann doch noch eine Weile und erforderte viel Geduld, da kleine Veränderungen hier eben auch Konsequenzen dort hatten, aber endlich war es soweit: alle Mallen zusammen mit den beiden Strakleisten ergaben schon die Illusion der Rumpfkontur. An jenem Tag fuhr ich schon sehr zufrieden abends nach Hause.