Die Untere Havel zwischen Havelberg und Strodehne
Geschrieben am 28.07.2017 in Kanureisen (2017) (Geändert am 14.06.2018)
Teil 7 von 7 in der Serie Auf der Unteren Havel im Juli 2017
Am Samstag Morgen bauen wir in Rathenow noch trocken ab und erledigen einige Dinge. Anschließend fahren wir im strömenden Regen nach Havelberg, wo wir zunächst noch für das Wochenende einkaufen und dann beim Ruderclub auf der Spülinsel unsere Zelte aufschlagen wollen. Zwischen zwei Güssen gelingt es uns dann auch. Nebenan beim Kanuverein, wo wir zuerst zelten wollten, kommen gerade 60 Paddler an, die an der Internationalen Elbefahrt teilnehmen. Bei uns kommt noch eine kleine Gruppe Pilgerer hinzu, die allerdings im Bungalow wohnen.
Wir relaxen, verbringen den Tag mit Kochen und Essen etc. und veröffentlichen einige Informationen und Fotos auf unserer Facebook-Seite. Mit den Pilgerern, fast alles Damen, gibt es es einigen Gesprächsstoff, hauptsächlich ums Paddeln und was wir so tun. Da wir unter einem großen Vordach sitzen, stört uns der Regen nicht, der sich immer wieder erfolgreich auf den Weg zum Boden macht.
dramatischer Himmel über der Havel: bei Havelberg; Foto-Autor: Alexander Clausen
Gegen Abend wird das Wetter wieder schön, und Alexander und ich unternehmen noch eine kleine Wanderung. Dabei können wir einen ausgewachsenen Biber beobachten, der zwischen der Spülinsel und seiner Burg auf einer anderen winzigen Insel pendelt. Einige Mauersegler fliegen mit ihrem typischen Trillerpfeifen-Ton über die Stadt, aber ansonsten ist es eher ruhig. Da es Samstag Abend ist, gibt es auch kaum LKW-Verkehr durch Havelberg. Wir gehen früh schlafen.
viel Wind auf der Havel: bei Havelberg
Am Morgen ist es noch recht windig und nass, und so sind wir erstmal vom Wetter enttäuscht, da es nicht so schlecht vorher gesagt wurde. Es kommen solche Gedanken auf: wenn es so ist, können wir auch gleich abbauen und nach Hause fahren. Aber gegen Mittag klart es ein wenig auf, und um 13:00 Uhr sitzen wir abfahrbereit im Kanu. Wir wollen die Havel aufwärts paddeln, also in Richtung Strodehne, so lange und so weit wie wir gegen die Strömung Spaß haben.
Es weht ein gewisser Wind, als wir um die Innenstadt-Insel in Havelberg herum paddeln. Gegenströmung ist auch nicht zu verachten. Auf einem Dalben, an dem wir dicht vorbei müssen, steht ein Graureiher. Anstatt aufzufliegen, wie es die meisten seiner Artgenossen tun, schaut er uns nur gelangweilt hinterher. Je weiter wir zur offenen Wasserfläche der Havel gelangen, umso stärker bläst der Wind. Über den Himmel ziehen dunkle Wolken, und wenn die nun aktualisierte Wettervorhersage nicht "trocken" gelautet hätte, wären wir jetzt umgekehrt.
Der Wind nimmt noch zu, es gibt wegen der Strömung und auch wegen einiger Boote richtige Wellen auf der Havel. Der Wind drückt uns jetzt gegen die Strömung vorwärts, so dass unser Kraftaufwand etwa so ist, als hätten wir keine Gegenströmung. Allerdings muss ich genau aufpassen, was ich mit meinem Paddel mache: das Kanu auf Kurs zu halten ist unter diesen Bedingungen nicht ganz einfach.
Havel bei Havelberg
Ab einem gewissen Moment kann ich mich nicht mehr zurück halten und packe den Anglerschirm aus. Ich halte ihn zur Sicherheit hinter meinen Rücken, und das gibt unserem Kanu noch mehr Vortrieb. Paddeln muss ich nun nicht mehr, aber auch mit Steuern und Halten des Schirms habe ich genug zu tun.
Auf einem Strand, der durch die Renaturierung neu entstanden ist, entdecken wir Kiebitze und Seeschwalben. Am Himmel zieht ein einzelner Karnich stumm vorüber. Wir ziehen weiter stromaufwärts, und in manchen Kurven, wenn der Wind mehr seitlich kommt, muss ich ganz schon tricksen, um unser Kanu in seiner Bahn zu halten. Einige Motorboote sind auch unterwegs, aber die Zahl hält sich in Grenzen.
Wir möchten gerne eine kleine Pause einlegen. An dem eigentlich dafür vorgesehenen Strand liegt bereits eine kleine Yacht, und da wollen wir nicht stören. So entscheiden wir uns, ein kleines Stück in den Trübengraben hinein zu paddeln. Als wir ihn erreichen, stellen wir fest, dass man hier im Zuge der Renaturierung die Mündung komplett umgestaltet hat: jetzt mündet der Trübengraben nicht mehr in einem toten Seitenarm, sondern in einem, der auf beiden Seiten mit der Havel verbunden ist.
Kanu im Trübengraben
Im Trübengraben ist es windstill, und wir legen für eine Tasse Tee an einem toten Baum an, der parallel zum Ufer seine letzte Ruhe gefunden hat. Über uns fliegen einige Wasservögel hinweg, die sich als Haubentaucher entpuppen. Kraniche sind auch zu hören, sie halten sich wahrscheinlich an einer seichten Wasserfläche auf, die wir gestern schon auf unserem Weg nach Havelberg von einem Aussichtsturm aus haben beobachten können. Da hatten wir acht Vögel gesehen, neben vielen Graugänsen.
Kraniche über der Havel bei Havelberg
Bald paddeln wir wieder auf die windige Havel, und wir kommen sehr gut vorwärts: allmählich glauben wir, dass wir es noch bis Velgast schaffen könnten. Es gibt auch nicht so viele Pausenmöglichkeiten auf diesem Abschnitt, und Velgast böte uns gute Anlegemöglichkeit und etwas "Auslauf".
Zwei große Vögel segeln im Wind, und sie sehen aus wie Störche. Da wir nichts Weißes an ihnen ausmachen können, müssen es Schwarzstörche sein! Da ist die Freude natürlich groß, denn diese Vögel sind sogar hier selten genug zu beobachten.
Auf unserer Weiterfahrt nach Velgast können wir noch einige Seeschwalben und sogar noch einen Seeadler beobachten. An der Einsetzstelle Velgast steht ein Angler, und den möchten wir nicht stören. Wir fragen ihn nach einer weiteren Anlegemöglichkeit, und er teilt uns freundlich mit, dass es im Altarm 50 Meter hinter der nächsten Kurve einen neuen Steg gibt, wo wir anlegen können. Schnell sind wir dort und finden sogar einen sehr niedrigen Zusatzsteg für Paddler vor.
die Untere Havel bei Velgast
Wir nehmen unser Essen und Trinken mit und steigen aus dem Kanu. Velgast ist sehr ruhiges Dorf mit schönen alten Häusern. Es kann deshalb direkt an der Havel liegen, weil das Gelände einige Meter höher als die Havel liegt. Trotzdem gibt es einen Deich. Direkt hinter dem Dorf stehen zwei Schöpfwerke: das neue hat das alte dabei abgelöst, das Hinterland trocken genug zu halten. Dafür wird das Wasser eines breiten Grabens in die Havel entwässert, für den Fall, dass der Havelwasserstand höher liegen sollte als im Graben.
Vor einiger Zeit hat diese Aufgabe das Alte Schöpfwerk erledigt, das aus einem zweistöckigen Fachwerkbau besteht und in dem die Pumpen noch gut erhalten sind. Ein Verein kümmert sich darum, hier ein Museum entstehen zu lassen und dieses auch für das Dorfleben und den Tourismus zu nutzen. In Verbindung damit möchte man auch einen Wasserwanderrastplatz errichten.
Als ich dort entlang gehe, dämmert es mir, dass man den Altarm wieder ganz an die Havel angeschlossen hat.
segelnde Schwarzstörche über der Havel
Zum Essen sitzen wir noch eine Weile auf dem Steg, dann paddeln wir nach Havelberg zurück. Die Wettervorhersage erweist sich als meist zutreffend: der Wind sollte gegen Abend nachlassen, und das können wir natürlich ganz gut gebrauchen, wenn wir nun zurück paddeln. Den größten Teil der Rücktour haben wir nur schwachen Wind von vorn, und da die Havel ordentlich strömt, kommen wir ganz gut vorwärts. Nur ganz selten frischt de Wind mal auf, als wolle er uns daran erinnern, wie gut wir es den Rest der Strecke doch haben.
Kurz vor der Einmündung der Neuen Jäglitz sitzt auf einem toten Ast ein großer Vogel, der sich beim näher Kommen tatsächlich, wie vermutet, als Seeadler entpuppt. Er fliegt ja auch gleich eine Runde, scheucht dabei einen Zug Graugänse auf und setzt sich dann wieder hin.
Neue Jäglitz Mündung beim Naturschutzgebiet Stremel
Als wir die Stelle erreichen, an der wir auf der Hintour wegen eines Motorboots nicht angelegt haben, wird dort gerade alles eingepackt und wir beschließen, jetzt dort anzulegen. Es stellt sich heraus, dass wir jetzt auf einer Insel sind, denn auch hier ist ein Altarm geöffnet worden. Es ist sandig, der gesamte Insel scheint aus Sand zu bestehen und sie ist ein kleiner Hügel. Wahrscheinlich hat man hier in früheren Zeiten, als auch dieser Havelabschnitt noch mit Frachtschiffen befahren und deshalb regelmäßig ausgebaggert wurde, das Baggergut abgelagert.
Von diesem kleinen Hügel aus haben wir einen schönen Blick auf die Wasserfläche nahe der Mündung der Neuen Jäglitz. Es hält sich dort eine größere Zahl an Graugänsen auf. Als die sich in Bewegung setzen, entdecken wir einen weiteren Seeadler, der über die feuchten Wiesen angeflogen kommt und sich auf eine trockene Weide setzt. Auch einige Seeschwalben sind über dem Stillgewässer auszumachen, es könnten Trauerseeschwalben sein. Auf einem "Beweisfoto" erkennen wir zuhause, dass wenigstens einer dieser Vögel eine junge Trauerseeschlalbe war.
Flussregenpfeifer am Havelstrand: Foto-Autor: Alexander Clausen
Nach unserer ausgedehnten Pause paddeln wir weiter, und Havelberg ist schon in Sicht. Auf der Sandbank, wo wir auf der Hintour Kiebitze sichteten, entdecken wir, dass außer Kiebitzen noch einige Flussregenpfeifer zwischen den Steinen und alten Ästen umher laufen. Einige von ihnen sind fast erwachsene Jungvögel! Die Freude ist groß, und wir können uns kaum von diesem possierlichen Watvögeln losreißen. Wir freuen uns auch für die Initiatoren der Renaturierung, dass bereits jetzt neue Arten die zunehmenden Strände als Brutmöglichkeit annehmen.
Blick auf das Naturschutzgebiet Stremel
Als wir nach Havelberg hinein paddeln, geht die Sonne bereits unter. In der Nähe der Werft sehe ich plötzlich einen großen Biber neben unserem Kanu schwimmen. Obwohl ich Alexander und Gundula nicht gerade leise zurufe, dass dort einer schwimmt, taucht er nicht ab. Wir können ihm noch etwa 20 Meter hinterher schauen, bevor er langsam abtaucht.
Bald sind wir am Steg des Rudervereins, laden unser Holzkanu auf unseren Bootswagen und rollern zum Zeltplatz hinauf. Wir sind sehr froh, nicht nach Hause gefahren zu sein. Es war eine tolle Abschlusstour! Und bis auf fünf Kilometer haben wir dann ja doch noch die ganze Strecke zwischen Strodehne und Havelberg geschafft.
Morgen fahren wir wieder nach Kiel zurück. Auf dem Rückweg wollen wir noch die Binnendünen in Kleinschmölen (bei Dömitz an der Elbe) besuchen.
Anmerkung: Auf dieser Kanu-Reise benutzen wir als Gewässerkarte den Jübermann Tourenatlas Berlin-Brandenburg TA5.
Allgemeine Betrachtung zur Havel:
Ich halte die Havel für den abwechslungsreichsten Fluss in Deutschland, wenn nicht sogar Europa. Sie hat eine paddelbare Länge von etwa 310 Kilometern, und dabei führt sie uns oft durch einsame Natur mit schmalen Durchstichen und sehr vielen Seen-Passagen. Als Wasserweg für den Frachttransport verbindet sie viele bedeutende Städte und Orte miteinander. Kaum eine (keine mir bekannte) Flusslandschaft wartet mit derartig vielen Nebenarmen und durchflossenen Seen auf wie die Havel, und kaum ein Fluss hat durch unzählige Insel derartig zerklüftete Ufer.
Leider ist fast die gesamte Havel eine Wasserstraße, die in der Saison viel mit Motorbooten befahren wird. Alle Informationen zur Havel als Kanugewässer inkl. aller Kanueinsetzstellen gibt es in unserem FlussInfo-Portal https://www.flussinfo.net/untere-havel/ sowie https://www.flussinfo.net/obere-havel/
Die besten Gewässerkarten gibt es hier: https://www.flussinfo.net/untere-havel/wasserwanderkarten/
Binnendünen bei Klein Schmölen nahe der Elbe bei Dömitz
Auf der Unteren Havel im Juli 2017
- Von Werder bis Havelberg
- Auf der Unteren Havel von Werder bis Ketzin
- Auf der Unteren Havel von Ketzin bis Brandenburg/Havel
- Auf der Unteren Havel von Tieckow bis Premnitz
- Auf der Unteren Havel von Premnitz bis Rathenow
- Auf der Unteren Havel von Rathenow bis Strodehne
- Die Untere Havel zwischen Havelberg und Strodehne