Am 6. Oktober auf den Breitenburger Moorkanälen
Geschrieben am 06.10.2018 in Kanutagebuch (2018) — Breitenburger-Kanal_Stör (Geändert am 09.10.2018)
auf dem Breitenburger Moorkanal
Heute ist unser Hochzeitstag, wir sind nun seit 38 Jahren verheiratet. Bereits seit Wochen haben wir uns vorgenommen, bei geeignetem Wetter mit dem Kanu unterwegs zu sein. Es soll heute bis zu 20 Grad warm werden, dabei jedoch ein kräftiger Wind wehen. Das bedeutet für uns, keine Kanutour auf den Holsteinischen Seen unternehmen zu können. Also greifen wir zu einer schönen Alternative: wir schauen, wie das Wetter um Itzehoe herum werden soll und entscheiden uns für den Breitenburger Kanal.
Herbst auf dem Breitenburger Moorkanal
Der Breitenburger Kanal (bzw. die Kanäle) wurden im 19. Jahrhundert für den Abtransport von Zement gebaut und ist im Durchschnitt etwa 3 Meter tief und 10 Meter breit. Diese Kanäle wurden von 1875 bis 1974 genutzt. Da man die umliegenden Moore entwässerte, entwickelten sich dort schöne Gehölze - teils mit Auenwaldcharakter.
Während wir uns noch an der Einsetzstelle (beim Förderband) ausrüsten, kommt ein älterer Mann auf dem Fahrrad angefahren und lobt unser Holzkanu. Wir kommen ins Gespräch und tauschen uns eine Weile zur Gegend aus, insbesondere zu den umliegenden Biotopen.
Gegen 12:30 Uhr sind wir abfahrbereit und rutschen unser beladenes Kanu ins Wasser. Das Einsteigen ist nicht ganz einfach, da es überall Steine und Betonreste gibt, die durch den niedrigen Wasserstand (es fehlen durch die Trockenheit etwa 20-30 cm) im Flachen liegen.
Auf dem Breitenburger Moorkanal
Wir sind noch nicht ganz im Rythmus, da hören wir Wildgänse in der Luft über uns. Es sind Graugänse, aber nicht nur: es sind auch viele Gänse mit hell klingenden Rufen zu hören. Es sind also entweder Weißwangen- oder Blässgänse. Als wir sie am Himmel entdecken, sehen wir einen sehr großen Zug, der mehrere hundert Vögel umfasst. Sie scheinen nach Westen zu fliegen. Ganz weit in der Ferne höre ich kurz Kraniche rufen.
schöne Uferpflanzen
Während wir weiter paddeln, rast jemand mit einem Kommunalfahrzeug den Wanderweg entlang. Einen Moment später sehen wir ein Stück vor uns einige Stockenten schwimmen. Dabei denken wir uns nichts, und immer noch nichts, als wir bemerken, dass sie auf unsere Nähe ein wenig nervös zu reagieren scheinen.
Als wir dann noch näher heran kommen, fliegen der erste Trupp auf und geht kurz darauf wieder auf den Kanal zurück. Dabei entdecken wir, dass links am Ufer eine größere Menge Stockenten stehen und die ersten von ihnen schon ins Wasser gehen. Nach und nach flüchten alle Enten planlos nach vorn. Die kommenden 1,5 km wiederholen sie dieses dumme Manöver: auffliegen, nach 20 Metern auf das Wasser, dann bald wieder auffliegen. Es nervt. Da wir in den nächsten Kanal rechts vor der Fußgängerbrücke einbiegen wollen, hoffen wir, dass die Enten geradeaus wollen. Das tun sie jedoch nicht, und so müssen wir uns gegenseitig für eine Weile ertragen.
Ende des Nebenarms des Breitenburger Moorkanals
Gundula schaut zwischendurch kurz in den Himmel , und dort fliegt ein Zug Kraniche! Es sind vielleicht 40 Vögel, und sie sind still. Wir sind freudig aufgeregt - und ebenso überrascht!
An der Einmündung des anderen Kanals liegt versteckt am Ufer ein Ruderboot. Wir entdecken einen Mann, der dort nahe dem Ufer im Wald in einer Hängematte liegt. Über uns fliegt ein Greifvogel, der die Größe eines Mäusebussards hat und einen langen, schmalen Schwanz trägt. Es könnte sich um eine Weihe handeln!
Wildnis im Breitenburger Moor
Wir paddeln weiter aufwärts in Richtung Lägerdorf. Das Zementwerk ist deutlich zu hören. Einige Wacholderdrosseln überqueren den Moorkanal, und es sind auch noch andere Vögel aktiv: wiederholt hören wir einen Zaunkönig rufen, und wir hören einen Grünspecht und später in der Ferne sogar einen Schwarzspecht!
gerettete Hornisse
Als das Förderband des Zementwerks in Sicht kommt, drehen wir um. Ab hier haben wir auch Ruhe vor den Stockenten - und die vor uns. Große Freude kommt auf, als links von uns ein Eisvogel auffliegt! An der Stelle haben wir vor 4 Jahren bereits einmal einen gesehen. Ein paar Sekunden danach sieht Gundula einen zweiten! Den bekomme ich leider nicht zu sehen.
Rechts neben mir sehe ich etwas im Wasser zappeln. Als ich genau hin schaue, kämpft dort eine Hornisse gerade mit dem Ertinken. Ich fische sie aus dem Wasser und lasse sie auf meiner Kiste trocknen. Es dauert mindestens eine halbe Stunde, bis sie alle üblichen Phasen durchlebt hat: sich wundern, kraftlos sein, sich entspannen, sich am gesamten Körper putzen und sich dabei aufwärmen. Dann plötzlich erhebt sie sich und fliegt sie leise brummend auf und davon. Ich kenne es bereits von anderen Insekten.
Wir hören menschliche Stimmen, und die kommen aus einer Richtung, wo man eigentlich nicht hin gelangen kann. Während wir näher heran paddeln, sehen wir einige Leute mit Fahrrädern einen Trampelpfad entlang kommen, der ins Nichts führt. Wie sind die dahingekommen? Es führt nur eine völlig marode und deshalb seit Jahren gesperrte Brücke über den Kanal. Haben sie diese tatsächlich genutzt? Eine andere Möglichkeit existiert hier nicht. Es ist durchaus interessant, welche Risiken einige Menschen eingehen.
marode Brücke über dem Breitenburger Moorkanal
Wir lassen sie ziehen und biegen bald wieder in den Hauptkanal ein. Es dauert nicht lange, und ein weiterer Eisvogel gibt sich die Ehre. Wir schauen ihm eine Weile hinterher, wie er immer wieder auffliegt und sich dann wieder auf einem geeigneten Ansitz niederlässt.
An vielen Stellen wachsen zwischen den Erlen, Pappeln und Birken andere Stauden oder Sträucher, die für farbenfrohe Abwechslung sorgen: Weißdorn mit seinen roten Mehlbeeren; Heckenrosen mit ihren ebenfalls roten Hagebutten; Schneeball mit seinen knallrot leuchtenden Beeren sowie die roten und gelben Blätter einzelner Birken und Graupappeln.
Manche Eichen lassen aus ihren weit über die Ufer hängenden Ästen reife Eicheln mit lautem "Platsch" ins Wasser fallen. Es sind auch viele Libellen unterwegs, und manche kommen uns sehr nahe, neugierig wie sie nun einmal sind. Sie paaren sich sogar noch und legen Eier auf Pflanzenteilen ab. Auch Eintagsfliegen schwirren durch die Lüfte . Sie haben die richtigen Stellen zur Eiablage wohl noch nicht entdeckt.
Fliegenpilze am Breitenburger Moorkanal
Zwischendurch besuchen wir noch einen kleinen Kanal, der ebenfalls vom Hauptarm abzweigt. Dort ist es noch wilder und schöner. Mit Moos bewachsene Ufer lassen an verborgene, geheimnisvolle Welten denken, in denen Käfer, Asseln und Tausendfüssler sich mit Wasserspinnen und Kleinkrebsen treffen.
Erlen liegen quer über dem Wasser, und irgendwann kommt eine Stelle, da drehen wir lieber um, da uns ein Gefühl sagt, hier würden wir die Tiere zu sehr stören. Also wenden wir und lassen unser Kanu langsam wieder aus diesem stillen Kanal mit seinem seidig schimmerndem Wasser heraus gleiten.
Seitenarm im Breitenburger Moor
Eigentlich suchen wir einen richtigen Pausenplatz, also eine sonnige Stelle, wo wir unsere Picknickdecke ausbreiten und unserer Esslust frönen können. An einer Stelle hoffe ich auf Erfolg, und wir landen an. Gundula steigt aus, landet ziemlich im moorigen Sumpf und benutzt umher liegende Äste, um darauf "gehen" zu können, ohne zu sehr einzusacken. Dann geht sie durch das Dickicht und schaut sich um. Dabei entschwindet sie aus meiner Sichtweite. Da Gundula auch nach ein paar Minuten nicht wieder kommt, steige ich ebenfalls aus und untersuche die Verhältnisse. Wie erwartet, sind wir direkt am Renaturierungsgebiet, wo seit 6 Jahren kein Torf mehr abgebaut und nicht mehr entwässert wird.
Einen Picknickplatz finde ich nicht, obwohl am Rand des Renaturierungsgebiets volle Sonne scheint. Aber es gibt keine geeignete Fläche, alles ist recht dicht verbuscht und geht in das moorige Ufer des Renaturierungsgebietes über.
Ich rufe Gundula, und aus der Ferne kommt ihre Antwort. Ich wandere selbst noch ein wenig umher, wobei ich eine Eidechse treffe und drei Fliegenpilze. Einer ist so schön, dass ich ein Foto machen muss. Die anderen sind angebissen. Da wird das Tier wohl seinen Spaß gehabt haben, bei einer derartigen Droge.
Renaturierungsgebiet bei Rethwisch
Als Gundula und ich uns durch Zurufe wieder treffen, gehen wir zusammen auf einem recht hohen Damm in Richtung Kanu. Der Damm entstand sicher, als der Moorkanal ausgehoben wurde. Damit das Einsteigen ins Kanu nicht so schlammig wird, suche ich noch einige tote Äste zusammen, die wir als Tritthilfe nutzen.
Als wir wieder im Kanu sitzen, wissen wir zunächst nicht, wo wir denn nun picknicken wollen. So paddeln wir noch eine Weile aufwärts, bis wir einsehen, dass es heute nichts wird mit einem Picknick im Sonnenschein. Es ist nämlich auch bereits 16:00 Uhr durch. Da wird die Sonne bald zu niedrig stehen.
Auf dem Breitenburger Moorkanal
Wie schon so oft, bleiben wir im Kanu und essen dort unseren Nudelsalat und trinken unseren Tee. Es ist hinreichend sonnig, aber es gibt ein wenig Halbschatten durch die Büsche. Langsam bewegen wir uns vorwärts in Richtung Einsetzstelle. Mein Thermometer zeigt noch immer 19 Grad, und nur dort, wo die Büsche zu viel Schatten erzeugen, ist es etwas kühler. Auf dem breiteren Abschnitt des Moorkanals leuchten die Graupappeln und Birken immer noch in der Sonne.
Wir treffen wieder einen Eisvogel, und es gibt auch andere Singvögel in den Ufergehölzen und angrenzendem Wäldchen. Wir paddeln jetzt wieder etwas energischer, da es zunehmend kühler wird, obwohl das Thermometer noch immer 19 Grad anzeigt und nur im Halbschatten ein halbes Grad weniger. Als wir nur noch 1000 Meter von unserer Einsetzstelle entfernt sind, sehen wir die vielen Stockenten wieder. Wir hoffen, dass diese inzwischen gelernt haben, dass wir sie nicht bedrohen. Aber als wir bis auf etwa 20 Meter an sie heran gepaddelt sind, drehen einige von ihnen doch durch und fliegen einige Meter auf.
Stockenten auf dem Breitenburger Moorkanal
Leider wiederholt sich nun fast das Drama von der Hintour, nur ist es jetzt nicht mehr so weit zur Einsetzstelle. Als wir es geschafft haben und anlegen, fliegen auch die Enten in die Gegenrichtung, obwohl der Kanal ja noch weiter geht. Warum haben die das nicht gleich getan?
An der Einsetzstelle herrscht ein wenig Betrieb: Angler und Pilzsucher beleben die Stelle nahe dem Parkplatz. Wir verstauen alles im und auf unserem Fahrzeug.
Als wir abfahrbereit sind, ist es bereits 17:30 Uhr. Über eine ruhige Route (statt der Autobahn) fahren wir wieder nach Kiel zurück. Wir freuen uns über diesen schönen Hochzeitstag!
Ende einer schönen Kanutour in der Wildnis
Geschrieben in Kanutagebuch (2018)