Großer Plöner See am Samstag, den 3. November
Geschrieben am 04.11.2018 in Kanutagebuch (2018) — Holsteinische-Seenplatte, Schleswig-Holstein-paddeln, Schwentine
Kanu-Einsetzstelle in Plön bei Fischerei Reese
Der November kommt mit ungewohnt tiefen Temperaturen, die letzte Nacht war knapp über Null. Es ist für den gesamten Samstag aber pralle Sonne bei mäßigem Wind vorher gesagt worden. Das wollen wir ausnutzen und einige Stunden auf dem Großen Plöner See verbringen.
Dieser See vermittelt einem eine Vielfalt an Eindrucksmöglichkeiten, die natürlich sehr stark mit dem Sonnenstand zusammenhängen sowie mit der Jahreszeit und den immer wieder überraschenden Naturerlebnissen mit Wasservögeln und anderen gefiederten Mitbewohnern.
das Kanu ist reisefertig
Als Einsetzstelle haben Gundula und ich die Fischerei Reese ausgewählt, da es hier, nahe der Plöner Innenstadt, immer schön ruhig zu geht. Hier gibt es keine Hetze, und hier ist auch nie viel Betrieb.
Ich frage mich ja auch immer wieder, nach welchen Kriterien ich mich für ein Gewässer entscheide und welche dort die für mich passendste Einsetzstelle ist und warum. Es ist wohl einfach so: ich muss möglichst nahe ans Ufer heran fahren können; es muss hinreichend geräumig sein; zur Not muss man mal in die Büsche können; es muss ein geeigneter Steg, Slip oder Strand vorhanden sein - ohne Steine. Wenn es ein viel benutzer Parkplatz ist, müssen die anderen Kriterien eher relativ gut erfüllt sein, damit ich die Stelle gut finde und häufig nutze.
Mich überrascht immer wieder, wie wenig kreativ öffentliche Kanueinsetzstellen eingerichtet werden und wie viel Geld dafür ausgegeben wird, als hinge die Qualität von der Höhe der Ausgaben ab.
Plöner See zwischen Rosenstraße und der Insel Olsborg
Als wir einsetzen, ist es bereits Mittag und die Temperatur ist auf etwa 6 Grad gestiegen. 9° sollen es werden, aber angesichts der gefühlten "Frische" habe ich daran so meine Zweifel.
Im winzigen Hafen der Fischerei fehlt bereits die Hälfte der kleinen Segel- und Angelboote, die hier gewöhnlich liegen. Ich kann mir auch ganz gut vorstellen, dass das Segeln in diesem Jahr auf dem Plöner See noch weniger einfach war als gewohnt: es fehlen 30 bis 50 cm Wasser, und deshalb gibt es noch viel mehr Untiefen und Hindernisse unter Wasser als normalerweise. Wir hatten (und haben immer noch) den Wasserstand, den es in ferner Vergangenheit gab, bevor der Große Plöner See wegen der Ausflugsschiffe höher gestaut wurde.
Wir legen ab und sind in Richtung der Insel Olsborg unterwegs. Für 2 Bft ist es erstaunlich wellig, was natürlich an der südlichen Windrichtung liegt. Da unser Holzkanu in der Werkstatt liegt, weil ich den Süllrand lackieren möchte, fahren wir mit "Lemna", unserem Zweit-Canadier. Der ist einen Meter kürzer, nicht ganz so breit und hat eine leicht V-förmigen Boden bekommen, als ich ihn instand gesetzt und dabei optimiert habe. Das lässt ihn ein wenig kippliger werden, aber man gewöhnt sich schnell wieder daran. Dafür kommt man mit weniger Kraft vorwärts.
Plöner See nahe Ruhleben
An der Engstelle zwischen den Wassergrundstücken der Rosenstraße und der Insel Olsborg ist es extrem flach. Eine Schar Blässhühner hält sich in Ufernähe auf. Wir halten uns so weit wie möglich fern, um sie nicht mehr als nötig zu stören.
Die Ufervegetation ist noch voll belaubt, und ich wundere mich, dass noch nicht einmal alle Blätter ihre Herbstfärbung haben. Von einem der Privatgrundstücke hören wir plötzlich den Krach einer Maschine. Es könnte ein Plattenrüttler sein, der Betonpflaster bearbeitet. Da wir uns nur langsam fort bewegen können, müssen wir den sehr lauten Krach eine Weile ertragen.
Pause bei Ruhleben
Dieser Höllenlärm ebbt bald ab und wir überlegen uns, welche Richtung wir eigentlich einschlagen wollen. Langsam meldet sich auch der Hunger, so dass wir uns bald einen geeigneten Platz zum Anlanden suchen wollen: sonnig und möglichst windgeschützt.
Meine erste Idee war eigentlich gewesen, in die Schwentine zur Ölmühle zu paddeln, da ich diesen Abschnitt so gerne mag. Allerdings haben wir Bedenken, dass es dort schattig sein wird, so lange noch nicht das meiste Laub von den dort wachsenden hohen Pappeln und Erlen abgefallen ist. Diese Idee wird also gestrichen, so dass wir die folgende Möglichkeit betrachten: wie wäre es, zum Campingplatz Ruhleben zu paddeln, der gleich hinter der Bundeswehrkaserne liegt? Dort könnten wir in einen kleinen Hafen hinein paddeln und womöglich an einem befestigten Ufer anlegen.
Graugänse bei Ruhleben
Bis wir dort eintreffen werden, haben wir noch etwa eine halbe Stunde zu paddeln, wobei die Wellen von der rechten Seite kommen. Dabei fahren wir genau auf das nördliche Ende der Insel Ruhlebener Werder zu. Diese ist immer von Vögeln belebt: im Frühsommer brüten hier Gänse, Möwen, Entenarten und Limikolen. In der Vogelzugzeit halten sich hier auch Durchzügler auf.
Im seichten Wasser an der Spitze dieser Vogelinsel stehen etwa 8 bis 10 Schwäne und weitere schwimmen im Wasser daneben. Wir halten uns nun landwärts und paddeln auf die kleine Hafenmündung zu. Da fliegt ein Graureiher auf, den wir komplett übersehen haben. Er muss direkt an der Einfahrt zum kleinen Hafen gestanden haben. Nun fliegt er ohne zu rufen zur Vogelinsel hinüber.
Singschwäne auf dem Ruhlebener Werder
Im Hafen liegt keine einzige der Jollen mehr, die hier noch im Sommer festgemacht hatten, als ein Teil unserer Familie hier für eine Woche zeltete. Leider sind die Uferbefestigungen wegen des sehr niedrigen Wasserstands für uns zum Aussteigen viel zu hoch. So lassen wir unser Kanu wieder aus dem Hafen heraus gleiten und legen am seichten Strand der Badestelle des Campingplatzes an. Kein Mensch ist hier anwesend. Die Badeinsel liegt ordentlich abgedeckt an Land, und hinter der großen Liegewiese stehen verlassen die Wohnwagen und Blech-Geräteschuppen der Dauercamper. Da sie dort aber unter Kiefern und anderen Bäumen stehen, sieht es alles nicht so gruselig aus.
Campingplatz Ruhleben
Im Stehen essen wir unseren Quinoa-Salat mit in Sojasoße eingelegtem und gebratenem Tofu. Unser Essen habe ich gestern Abend noch vorbereitet, damit der Salat gut durchziehen konnte. Der Tee aus unserer Thermoskanne wärmt uns, und wir beobachten die vielen Vögel um uns herum: Kleinvögel wie Buchfinken, Amseln und sogar Schwanzmeisen fliegen zwischen den Erlengehölzen der Kaserne und des Campingplatzes hin und her. Daneben hören wir immer wieder Graugänse, und ab und zu fliegen diese auch eine Runde. Dabei fliegen sie auch schon mal sehr niedrig über unseren Köpfen hinweg.
Südspitze des Ruhlebener Werders
Unsere Pause dauert etwa 25 Minuten, und obwohl wir dicker bekleidet sind als bisher in diesem Jahr, wird uns allmählich zu kühl. Eine warme Suppe wäre wohl besser gewesen als ein Salat aus dem Kühlschrank, auch wenn dieser köstlich schmeckt. Wir denken sogar an Handschuhe.
So legen wir dann bald wieder ab. Es ist jetzt etwa 14:10 Uhr, und wir beschließen, noch ein Stück in Richtung Vierersee zu paddeln. Vorher aber schauen wir uns die Schwäne genau und auch mit dem Fernglas an, die am Ufer des Ruhlebener Werders stehen: teilweise recken sie ihre Hälse senkrecht nach oben. So langsam dämmert es mir, dass wir es hier womöglich mit Singschwänen zu tun haben! Diese überfliegen Schleswig-Holstein auf ihrer Wanderung in ihre Überwinterungsgebiete, die abhängig von den Temperaturen an Flüssen in Deutschland oder am Niederrhein liegen können. Ab Ende Februar machen sie sich dann bereits wieder auf den Weg zu ihren Brutgebieten nördlich des Polarkreises. Dann fängt tatsächlich ein kleiner Trupp, der im Wasser schwimmend unterwegs ist, mit den melodischen Rufen an, die an sanfte Trompetenklänge erinnern. Sie rufen leiser als Kranche. Nun ist es wirklich klar, dass wir hier Singschwäne vor uns haben!
Auf dem Großen Plöner See
Unsere Freude ist groß, und beschwingt paddeln wir zwischen der lang gestreckten Vogelinsel und dem ebenso langgestreckten Campingplatz entlang, der sich weitgehend in einem hohen Baumbestand verbirgt. Als wir uns dem Ende der Insel nähern, sehen wir einige Trupps von Enten auffliegen, und auch Graugänse, die offensichtlich auf der Insel weilten, suchen die offenen Wasserflächen auf. Dann entdecken wir den Störenfried: ein Seeadler erhebt sich aus der flachen Silhouette, die die Gehölze auf dieser Insel bilden. Er fliegt ohne Jagderfolg recht niedrig zum Wald bei Ruhleben hinüber. Als er sich ein wenig aus dem Gegenlicht entfernt hat, können wir seinen weißen Stoß erkennen: es ist also ein erwachsener Adler. Er kreist einmal kurz über den sehr hohen Baumwipfeln, kann sich aber nicht zu einem Ansitz dort oben entscheiden und fliegt weiter. Einen kleinen Augenblick später sehen wir einen Silberreiher in genau diese Richtung fliegen.
Blick auf die Prinzeninsel
Der Seeadler war uns recht nahe, und so etwas ist immer aufregend für uns. Erfüllt von Freude paddeln wir noch ein Stück in Richtung Vierersee. Noch bevor wir die Verbindung zum Vierersee, den Viererseegraben, erreichen, sehen wir, dass das linke Ufer und eine kleine Bucht von vielen Schwänen bevölkert ist. Auch das sind Singschwäne, wie ihr leiser Gesang anmutet. Ihre sozialen Töne klingen unglaublich sanft und lieblich in unseren Ohren, und es freut uns immer wieder, sie in unserer Umgebung zu treffen. Meist haben wir sie ja an der Ostsee beobachtet und ihren Klängen gelauscht, z.B. an der Lagune "Sehlendorfer Binnensee" bei Hohwacht, wo sie dem Beobachter meistens recht nahe sind.
Blick auf die Insel Hankenburg
Bevor wir also die Bucht vor dem Viererseegraben erreichen, wenden wir uns in Richtung Prinzeninsel. Die Wellen haben wir nun eine Weile von der Seite, und ganz hinüber zur Prinzeninsel wollen wir auch nicht paddeln. Es wären noch etwa 1,5 km, und da wir gerne gegen 16:00 Uhr wieder an der Einsetzstelle ankommen würden, wollen wir uns lieber nicht mehr so viel vornehmen und den Rest der Strecke so langsam genießen, wie es möglich ist.
Blick auf die Stadt Plön
Obwohl Wind und Wellen von der linken Seite kommen, halten wir unser Kanu ganz gut auf Kurs. Dabei können wir unsere Blicke noch ein wenig schweifen lassen und die schöne Aussicht über den See genießen. Als eine große Schar Graugänse plötzlich laut auffliegt, die wir vorher noch gar nicht wahrnahmen, suchen wir nach dem Verursacher und entdecken bald den Seeadler (Nr 2), der dafür verantwortlich zu sein scheint. Er flog so niedrig über dem Wasser, dass wir ihn nicht gesehen hatten, und nun nimmt er Kurs auf die Inseln südlich der Prinzeninsel.
Die Graugänse fliegen nach Süden, der Seeadler nach Westen. Zum Verfolgen ist er wohl nicht hungrig genug oder es entspricht nicht seiner gegenwärtigen Strategie.
der Plöner Wasserturm
Wir paddeln also bald in Richtung Plöner Stadtbucht, und von da an haben wir den Wind im Rücken und surfen sogar ein wenig auf den Wellen. Einige Leute in Kajaks sind auf dem See unterwegs. Sie kamen aus Richtung Spitzenort durch die Enge zwischen dem Langen Werder und der Prinzeninsel und paddeln nun in Richtung Plöner Innenstadt. Da sie viel schneller sind als wir, entschwinden sie bald unseren Blicken.
Gundula und ich sind uns einig, dass wir zwar gegen 16:00 Uhr wieder an der Einsetzstelle sein wollen, aber trotzdem unsere Fahrt genießen wollen, so gut es geht. Also lassen wir uns Zeit, lassen ab und zu das Paddel in Ruhe und schauen uns um. Dabei können wir ein drittes Mal einen Seeadler beobachten. Sein Verhalten deutet darauf hin, dass er sich ebenfalls auf der Jagd befindet, genau wie die anderen beiden. Er scheint aber auch kein Glück zu haben und zieht bald seiner Wege - in Richtung Süden.
Plön
An der Insel Olsborg, die nun rechts von uns liegt, paddeln wir in sehr respektvollem Abstand vorbei, da es hier sehr flach ist und einige große Felsen bereits aus dem Wasser gucken. Man hat hier eine Bake hilfsweise ins Wasser gerammt, so dass diese Stelle ganz gut markiert ist. Es gibt an den meisten Inseln im Großen Plöner See derartige Stellen.
Wir haben jetzt nur noch gut 1000 Meter vor uns, und so ziehen wir unsere Paddel nun doch stetig durch. So kommen wir gegen 15:30 Uhr an der Einsetzstelle bei der Fischerei Reese an. Ein Angler hat gerade sein Alu-Angelboot aus dem Wasser gezogen. Wir landen an, und bevor die Sonne untergeht, setzen wir uns noch auf die Bank am Ufer und trinken etwas Tee in der langsam tiefer sinkenden Sonne. Mit dem Angler wechseln wir noch ein paar freundliche Worte.
Bald ist es uns zu frisch, es ist ja immer noch windig. Wir packen alles ein und das Kanu auf das Autodach. Der Weg nach Hause ist in einer knappen halben Stunde erledigt. Heute war ein schöner Tag mit dem Kanu in der Natur, und darüber freuen wir uns sehr.
Einfahrt in den kleinen Hafen der Fischerei
Kanu-Einsetzstelle Fischerei Reese in Plön
Geschrieben in Kanutagebuch (2018)